
Buchvorstellung von Catherine Letourneur (Grundschullehrkraft, systemische Pädagogin, Fortbilderin für Lehrkräfte, Referentin für Deutschdidaktik)
CHING CHANG STOP
geschrieben und illustrier von Dian Gohring
Carl Auer Verlag 2022
Empfehlung für den unterrichtlichen Einsatz: ab Klasse 4/5 – Klasse 10
76 Seiten
Hardcover 21,95 €
Die autobiografische Graphic Novel Ching Chang Stop von Dian Goring offenbart alltagsrassistische Strukturen unserer Gesellschaft gegenüber asiatisch gelesenen Menschen klar und selbstermächtigend und leistet somit einen Beitrag zur Erzeugung einer Diskriminierungssensibilität bei allen Leser:innen. Hierfür erzählt die Autorin über bewegende sehr persönliche Episoden aus ihrem Leben – aus der Kindheit, der Jugend und dem Erwachsenenalter. In der Kindheit erlebt die Protagonistin wie selbstverständlich rassistische Sprache, kindliche Rituale, Hänseleien und Ausgrenzungen sind. In ihrer Jugend wird die Protagonistin sexualisiert durch Exotisierung und stereotypisierten Zuschreibungen ihrer Person und ihres Körpers durch Menschen im privaten und auch im schulischen Umfeld. Im Erwachsenenalter reflektiert die Autorin schließlich bewusste und unbewusste rassistische Zuschreibungen durch Menschen in ihrem Freundeskreis und entwickelt Wehrhaftigkeit.

Im gesamten Buch schildert Dian Gohring klar, was Gesten, Lieder, Abzählreime, Zuschreibungen und Bezeichnungen bis hin zu übergriffigen Verhaltensweisen, die sie durch ihr Leben begleitet haben, mit ihrer Gedankenwelt und dem eigenen Erleben von Realität gemacht haben. Die Illustrationen in Bunt- und Aquarellstiften transportieren die Emotionen begleitend zum Text, nehmen helle und dunkle Farben stimmungsbezeichnend auf und bieten viele expressive Zugänge und literarische Suchaufgaben für kindliche, jugendliche und auch erwachsene Leser:innen.
Die Graphic Novel endet mit einem Kapitel, mit konkreten Strategien und Tipps, wie man sich bei rassistischen Angriffen schützen und wehren kann und es validiert ähnliche Erfahrungen. Außerdem wird hier aufgezeigt, wie hilfreich Netzwerke mit geteilten Erfahrungen sind und wo diese gefunden werden können.
Dian Goring macht allen Leser:innen Mut, zu widersprechen und bewusst mit der eigenen Sprache und gesellschaftlichen Bias umzugehen, um mitzuhelfen, alltagsrassistische Strukturen abzubauen und Empathie füreinander wachsen zu lassen.


Allgemeine Hinweise zum Einsatz im Unterricht
„Rassismus ist […] ein Stempel, den man von außen aufgedrückt bekommt. Das ist keine Rolle, die man sich selbst gibt!“
Dian Gohring während der Präsentation zu ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule Trier im Jahr 2020
Das Buch Ching Chang Stop entstand als Bachelorarbeit von Dian Gohring aus dem Jahr 2020 im Fach Illustration und Buchgestaltung an der Hochschule Trier. Veröffentlicht wurde die Graphic Novel dann 2022 im Carl Auer Verlag und ist dort Teil des Carl Auer Kids Programms.
Eine wichtige Perspektive der Kinder- und Jugendliteratur spricht in diesem Werk und sie dazu lädt ein, eigene Gedanken, Sprache und Zuschreibungen zu reflektieren und vor allem einem empathischen Blick aufeinander zu (er)öffnen.
„Aber ich meine es ja nicht rassistisch…“ – Wohl eine häufige Antwort von eurozentrisch gelesenen Personen, wenn man sie mit alltagsrassistischen Äußerungen konfrontiert. Dieses Buch bietet Gelegenheiten, diskriminierende Strukturen aus der eigenen Lebenswelt offenzulegen und in die Reflexion eigener Motive einer Weiterverwendung von Begriffen und Gesten einzusteigen, um zu lernen, sich kritisch mit Diskriminierung und Kategorisierung von Menschen ab dem Kindesalter auseinander zu setzen.
Die Graphic Novel erzählt von persönlichen Wunden, Verletzungen, Ungerechtigkeitserlebnissen, Voreingenommenheit und Bewertungen, die wie selbstverständlich mit Erwachsenen und im Spiel mit anderen Kindern entstanden und entstehen und die migrantisch gelesene Menschen häufig erleben müssen. Die Autorin erzählt von Menschen, die ihr grenzüberschreitend und Übergriffigkeiten normalisierend begegnet sind und welche Wege des Umgangs sie damit gefunden hat, um sich zu schützen, sich zu wehren und Selbstbestimmung zu gewinnen. Kindliche und jugendliche Leser:innen können ihre Gedanken, Erlebnisse und Gefühle im Rezeptionsprozess im schulischen Rahmen begleitend verbalisieren und reflektieren, was gesellschaftlich tradierte Annahmen, Aussagen und Verhaltensweisen in betroffenen Menschen auslösen können. So können Sie hinterfragen, welche Sprache und tradierte Handlungen aus dem allgemeinen und dem eigenen Habitus „ausgedient“ haben.
„Es ist mir wichtig gewesen, dass ich in diesem Buch nicht erkläre, wie Rassismus funktioniert. Es war mir wichtig, in diesem Buch zu zeigen, wie man sich fühlt, wenn man immer wieder mit solchen rassistischen Situationen konfrontiert wird. Und mir war wichtig zu zeigen, dass es okay ist, als Betroffene/r, wenn man wütend deswegen ist und man traurig deswegen ist und, dass man nicht überreagiert […].“
Dian Gohring während der Präsentation zu ihrer Bachelorarbeit an der Hochschule Trier im Jahr 2020
Lehrkräfte brauchen keine Angst vor Verstärkung oder Offenlegung von Rassismus zu haben. Es ist wichtig, dass solche Gedanken, überlieferte Verhaltensweisen, Lieder, Reime und Gesten an die Oberfläche kommen und im pädagogischen Kontext besprechbar werden – anstatt sie vermeintlich „nicht-rassistisch-intendiert“ zu reproduzieren. So können neue, inklusive und diskriminierungssensible Erzählungen in der eigenen Lerngruppe und darüber hinaus entstehen. Ab dem Ende der Grundschulzeit und über die Sekundarstufe I hinweg empfiehlt sich eine gemeinsame Lektüre mit literarischen Gesprächen, eigenen Textproduktionen und erfahrungs- und handlungsorientierten, literarischen Lernaufgaben.

Ideen für Unterricht
Deutsch
Mögliche Lernangebote
ab Klasse 4
Die vorgeschlagenen literarischen Lernaufgaben sind flexibel für alle Kompetenzstände im Deutschunterricht individuell schriftsprachlich anschlussfähig und gerne mehrsprachig bearbeitbar und übersetzbar. Zusätzliche Unterstützungsangebote zum Abbau von Barrieren wie Hörtexte, diktierendes Schreiben oder Audioaufnahmen sollten für die Kinder gewinnbringend und kompetenzfördernd eingesetzt werden.
(Un)bewusste Sprache
Die Schüler:innen schildern ihre individuellen Eindrücke zu den diskriminierenden, alltagsrassistischen Inhalten der Sprechblasen.
Die Schüler:innen untersuchen die illustrativen Bezüge zwischen den Gedanken der Erzählerin und den Sprechblasen und reflektieren die Aussage Dian Gohrings zu ihrem gewählten Farbkonzept „[…]Eigene Grübeleien im Kopf haben die gleiche Farbgebung wie rassistische Kommentare von außen. Das liegt daran, dass diese […] irgendwann zu Stimmen in einem selbst werden. […]“ https://www.youtube.com/watch?v=50xm8i1LqIE (08’46 -08’57)
Wo kommst du wirklich her?
Die Schüler:innen suchen in den Texten und Illustrationen nach Wörtern, Aussagen und Darstellungen, die Menschen kategorisieren/verallgemeinern/herabsetzen/abwerten/ausschließen/…
Die Schüler:innen tauschen sich über die eigenen Sprache- und/oder Diskriminierungserfahrungen aus und nehmen Bezug zu den Erlebnissen der Autorin.
Die Schüler:innen entwickeln gemeinsam Kriterien einer inklusiven und diskriminierungssensiblen Sprache für die eigene Lerngruppe/Schulgemeinde.
Empathiespiegel
Die Schüler:innen begegnen Dian Goring im Spiegel und versuchen, ihre Fragen zu beantworten und ihr Verständnis und Mut zuzusprechen. (Szenisches Spiel – Dialoge entwickeln und schreiben – Als Lesetheater vorbereiten und inszenieren…)
Sei doch nicht so empfindlich!
Die Schüler:innen entwickeln einen inneren Dialog der literarischen Figur zur Sequenz der Graphic Novel, als Freund:innen Dians Erleben von Rassismus herunterspielen und bagatellisieren.
Die Schülerinnen präsentieren ihren Dialog in Form einer szenischen Lesung oder eines Poetry Slams.
Erfahrungsräume (er)öffnen – Sensibilität /Wachsamkeit ausbauen
Die Schüler:innen nehmen die Perspektive der Erzählerin ein und erzählen einen Abschnitt aus dem Bilderbuch aus deren Perspektive in einem Journal/Tagebuch.
Die Schüler:innen suchen sich eine Stelle in der Graphic Novel aus und schreiben der Autorin einen Brief/eine Mail/einen Thread/ eine DM dazu, was sie über die Sequenz denken.
Die Schüler:innen reflektieren Diskriminierungserfahrungen und Sprache als ausführende oder empfangende Person aus der eigenen Lebenserfahrung oder anhand fiktiver kurzer Storyboards.
Die Schüler:innen recherchieren online- und face-to-face Netzwerke, die Austauschmöglichkeiten, Schutz, Aufklärung, Prävention und/oder akute Hilfe bei Rassismus und Diskriminierung bieten und präsentieren diese.
Tipps zur Weiterarbeit mit der Graphic Novel
Podcast Sounds of Science / Dian Gohring – Ching Chang Stop. Rassismus bemerken, Rassismus anders wahrnehmen Im Gespräch mit Matthias Ohler gibt Dian Gohring Einblick in den Entwicklungsprozess von Ching Chang Stop.
Videopräsentation von Dian Gohring zur Entstehung der Graphic Novel mit Einblicken in die Entwicklung vom Storyboard über die Wahl typografischer Mittel bis hin zum durchdachten Farbkonzept von Ching Chang Stop. https://www.youtube.com/watch?v=50xm8i1LqIE
